„Hallo? Klar hab ich Zeit, sitze grade im Bus!“

Ich telefoniere nicht gerne in der Öffentlichkeit. Ich kann in der Warteschlange an der Supermarktkasse einfach nicht entspannt ins Handy plauschen und am allerwenigsten kann ich’s im vollgestopften Bus. Ganz oft schalte ich deswegen auf lautlos, wenn ich in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin, um gar nicht erst in die Bedrängnis zu geraten, ein Gespräch führen zu müssen. Und wenn ich doch mal rangehe, dann wird das meist ein ganz knappes, einsilbig genuscheltes Gespräch. Meine Gesprächspartner fragen mich dann oft, was mit mir los sei und warum ich mich so abweisend anhöre. Nein, ich fühle mich damit einfach nicht wohl, ich telefoniere am liebsten, wenn ich meine Ruhe habe.

Andere sind da allerdings nicht so „gschamig“ wie ich, wenn es um das Telefonieren in der Öffentlichkeit geht. Ich habe bei meinen täglichen Busfahrten schon viele private Gespräche mitgehört, in denen die entsprechenden Personen ganz ungerührt Persönliches ins Handy gebrüllt haben. Auf der einen Seite setzt da bei mir sofort der Fremdschäm-Modus ein, auf der anderen Seite kann ich mich aber zugegebenermaßen einer gewissen Neugier nicht erwehren… und so kommt es schon mal vor, dass ich verstohlen die Lautstärke meines MP3-Players runterfahre oder mich minutenlang mit ein und derselben Seite in meinem Buch beschäftige, nur um bestens getarnt lauschen zu können.

Erst gestern durfte ich mithören wie eine Dame einen Termin beim Urologen vereinbart hat. Dazu hat sie der armen Arzthelferin am anderen Ende der Leitung noch ihre komplette Krankengeschichte und bisherige Ärzte-Odyssee berichtet. Außerdem leide sie an „Strobokokken oder wie das heißt“. Ja, genau, ein verbreitetes Volksleiden diese Strobokokken, Ärzte diagnostizieren das gemeinhin mit einem Stroboskop *augenroll*

Interessant fand ich auch das Gespräch eines jungen Mädels, welches am Telefon das Paarungsverhalten einer gewissen Jenny ausdiskutiert hat. Ich fühlte mich sofort in das Studio einer Talkshow versetzt. Die Busfahrt dauerte etwa 30 Minuten und als ich letztendlich aussteigen musste, war das Gespräch noch voll im Gange. Ich war ja fast schon versucht, noch weiter zu fahren, nur um zu hören inwieweit dieser Dennis die Jenny denn nun wirklich ausnutzt, habe mich dann aber doch dagegen entschieden.

Unvergessen auch das Gespräch einer Frau, die ihren Scheidungskrieg in blumiger Sprache am Telefon ausgebreitet und somit den ganzen Bus unterhalten hat. Natürlich hat sie das nicht gemerkt und so kamen wir anderen Fahrgäste in den Genuss von immer weiteren pikanten Details.

Sehr oft werden auch Teenies von ihren Eltern angerufen und ausgefragt. Wo bist du? Mit wem bist du unterwegs? Wann bist du zuhause? Was ist mit deinen Hausaufgaben? Man kennt das ja. Diese Kids bereuen in solchen Momenten sichtlich, ihr Handy nicht auf lautlos geschaltet zu haben *g*

An dieser Stelle passen die weisen Worte des Schriftstellers Ambrose Bierce übrigens ganz gut: „Telefon: eine Erfindung des Teufels, die die erfreuliche Möglichkeit, sich einen lästigen Menschen vom Leib halten zu können, teilweise wieder zunichte macht.“ Der gute Mister Bierce wurde 1842 geboren und verstarb 1914. Er lebte also zu einer Zeit, in der die Telefone noch lange nicht das waren, was sie heute sind und in der man von Handys noch nicht einmal träumte. Mich würde ja mal interessieren, was für Sprüche von ihm kämen, wenn er in unserer Zeit leben würde und auch jeden Tag mit dem Bus unterwegs wäre…

5 Kommentare zu “„Hallo? Klar hab ich Zeit, sitze grade im Bus!“

  1. Soni sagt:

    Dein Artikel trägt am frühen Morgen echt zur Erheiterung bei Rennhenn. Aber dieses Verhalten ist heute absolut normal, ob nun mit dem Handy öffentlich Probleme besprochen werden, oder auch in Talkshows die privatesten Dinge ausgebereitet werden – das scheint völlig normal zu sein. Ich gehöre auch nicht zu diesen sogenannten Normalen 🙂 und telefoniere auch nicht, wenn fremde Menschen zuhören können. Man kann ja immer noch später zurückrufen, wenn man ungestört ist. Vieles geht doch den Rest der Welt einfach nichts an.

    LG Soni

  2. rennhenn sagt:

    Ja, und von vielen Dingen will die Welt eigentlich sowieso gar nichts wissen, aber das ist manchen auch nicht ganz klar 😉

  3. Nila sagt:

    Komischerweise ist es mir total egal. Meistens ist Busfahren langweilig. Wenn dann jemand telefoniert, habe ich wenigstens was zum hören.
    Lol, ich denke ich bin die totale Ausnahme, weil die meisten Leute stört es. Stopft mich aus, und legt mich ein…. als Unikat 😉
    Achja, ich hingegen telefoniere nicht, wenn jemand Fremder zuhören könnte. Da lege ich ziemlich großen Wert auf meine Privatsphäre. :mrgreen:

  4. rennhenn sagt:

    Meistens stört es mich nicht, ich habe ja auch Spaß dran, wenn manchen Leuten so gar nichts peinlich ist :mrgreen:
    Aber manchmal will ich einfach meine Ruhe haben und dann nervt’s mich halt dezent, wenn die Leute um mich herum in ihr Handy brüllen. Mittlerweile denke ich aber morgens immer daran, meinen MP3-Player einzustecken, dann kann ich ja einfach „abtauchen“ 😉

  5. […] öffentlichen Verkehrsmitteln führe – also immer wenn ich nichts Besseres zu tun habe (z.B. Gespräche von Mitfahrern zu belauschen) und die Gedanken schweifen lassen kann. Ich weiß nicht, ob mich bisher jemand dabei beobachtet […]

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